Schöne Welt, wo bist Du?

Schauspieldirektorin Nina Steinhilber über die Spielzeit 2022/2023

Stellen wir uns vor, sie wäre einfach schön, die Welt. So schön wie ...? ... wir sie uns ausmalen? ... wir sie mal kannten? ... wir sie nie für möglich gehalten hätten? Wo ist sie, die heile Welt? Sie muss doch irgendwo sein. Wie sieht sie aus? Gab es sie je – oder ist sie bloß eine unzuverlässige Erinnerung, in die wir uns flüchten, wenn uns die Übermacht gegenwärtiger Ereignisse zu erschlagen droht? Wie wird sie aussehen, wenn wir sie jetzt und in der Zukunft denken? Finden wir sie oder sie uns? Wer erträumt, errichtet und gestaltet sie? Gibt es in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spaltung noch eine gemeinsame Idee? Glauben wir überhaupt noch an die Schönheit der Welt – oder haben wir sie inmitten politischer, gesellschaftlicher und persönlicher Ausnahmezustände längst verloren? Kann Theater den Krisen unserer Zeit etwas entgegensetzen? Kann es im Spiel Antworten finden, Möglichkeiten aufzeigen, einen Ort der emotionalen Zuflucht schaffen? Eine „schöne Welt“ der Entschleunigung und des Austauschs? Der zufälligen Gemeinschaft und der gemeinsamen Suche, der Utopien und Träume? Einen Raum für die vielen Gedanken und Fragen? In der kommenden Spielzeit nehmen wir unser Menschsein in all seiner Widersprüchlichkeit unter die Lupe – und fragen, frei nach Schiller und voller Hoffnung: Schöne Welt, wo bist du?

Ein Schauspieler spielt auf einer Bühne am Klavier.

Gleich mehrfach begeben wir uns auf eine Reise durch die wechselvolle Geschichte des 20. Jahrhunderts: Müller : Eine Chronik in sechs Jahrzehnten unternimmt einen bildstarken szenisch-musikalischen Gang durch das Leben und Schreiben des politischen Theatermachers Heiner Müller. Die Wienerin Gerda lernt im britischen Exil den jungen Horst Brasch kennen, der vom Aufbau einer neuen Gesellschaft in Deutschland nach 1945 träumt. Die Uraufführung GOING HOME :: Wer ist Gerda? des Kollektivs RAUM+ZEIT wagt auf den Spuren von Gerda Brasch eine Annäherung an die Sehnsucht einer beinahe Unbekannten. Mit dem gefeierten Roman Das achte Leben (Für Brilka) von Nino Haratischwili erzählen wir eine große, bewegende Familiengeschichte voller Umbrüche, Schicksalsschläge und Neuanfänge. „Diese Zeit verlangt nach Idealisten, wahren Künstlern, selbstlosen Kämpfern für das Gute und Schöne!“, erklärt der Schauspieler Iskremas in Leuchte, mein Stern, leuchte – und sucht inmitten der Bürgerkriegswirren in den Folgejahren der Oktoberrevolution Mitstreiter für seinen leidenschaftlichen Traum, ein neues, revolutionäres Theater zu gründen.

 

Und wie steht es um die Liebe? Ist sie der Schlüssel zu einem glücklichen Leben? Nicht für Luise und Ferdinand, deren Glück im Trauerspiel Kabale und Liebe am Widerstand einer feindlichen Außenwelt zerbricht. „Eine Gesellschaft räumen, wo ich nicht wohlgelitten bin – An einen Ort vorausspringen, den ich nicht länger missen kann – Ist denn das Sünde –“ fragt Luise und erträumt sich eine schöne Welt jenseits ihrer irdischen Existenz. In Ein Mond für die Beladenen lässt der amerikanische Dramatiker Eugene O’Neill zwei vom Glück Vernachlässigte für einen kurzen Augenblick die Möglichkeit eines schönen Lebens erahnen. Und Leonce und Lena fliehen vor dem königlichen Beschluss, der sie zur Heirat verpflichtet – und verlieben sich aus Versehen ineinander. Mit Büchners romantisch-satirischer Komödie befragen wir den Sinn und Unsinn unseres Daseins zwischen Lebensüberdruss und revolutionärer Utopie: „Es wird ein Dekret erlassen, daß, wer sich krank arbeitet, kriminalistisch strafbar ist; daß jeder, der sich rühmt, sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen, für verrückt und der menschlichen Gesellschaft gefährlich erklärt wird; und dann legen wir uns in den Schatten und bitten Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine commode Religion!“ Ist sie das, die schöne Welt?

 

Für die Jugendlichen der Nullerjahre hat das Versprechen einer schönen neuen Welt mit blühenden Landschaften sich bereits mit der realen Nachwendeerfahrung der Elterngeneration ins krasse Gegenteil verkehrt. Wir bringen den Bestseller von Hendrik Bolz (Teil der Band „Zugezogen Maskulin“) über eine Jugend in Mecklenburg mit Studierenden der Rostocker Hochschule für Musik und Theater zur Uraufführung. Verena Keßlers Roman Die Gespenster von Demmin, den wir in einer Bearbeitung für zwei Schauspielerinnen als mobile Produktion ins Klassenzimmer schicken, fragt danach, wie stark die Gegenwart durch die Vergangenheit bestimmt ist. In der Vorweihnachtszeit treibt mit dem Räuber Hotzenplotz der populärste Outlaw der Kinderliteratur im Theater sein Unwesen und bringt Kasperl, Seppel und den Wachtmeister Dimpfelmoser ganz schön ins Schwitzen bei ihrem Versuch, die Welt der Großmutter – und ihre eigene – wieder in Ordnung zu bringen. Von der erfolgreichen Teilnahme an einem großen Schönheitswettbewerb schließlich träumt die kleine Olive – und verdonnert gleich ihre ganze verkorkste Familie zu einem Roadtrip im VW-Bus nach Kalifornien. Die Deutschsprachige Erstaufführung der sprühend komischen und herzerwärmenden Geschichte nach dem bezaubernden Film Little Miss Sunshine kommt als Musical des Schauspiels im sommerlichen Schlossinnenhof auf die Bühne – und wirbelt auf der fortdauernden Suche nach der schönen Welt unsere Begriffe von Hässlichkeit und Schönheit, Gewinnern und Verlierern, Wunsch und Wirklichkeit noch einmal durcheinander.

Die Produktionen des Schauspiels in der Spielzeit 2022/2023

Uraufführung

MÜLLER : Eine Chronik in sechs Jahrzehnten

Ein Theaterabend von Sascha Hawemann
mit Texten von Heiner Müller & Live-Musik

Premiere: 30. September 2022

 

Kabale und Liebe

von Friedrich Schiller

Premiere: 1. Oktober 2022

 

Leuchte, mein Stern, leuchte
von Alexander Mitta, Juli Dunski und Valeri Frid
Deutsch von Susanne Rödel

Premiere: 15. Oktober 2022

 

Familienstück
Der Räuber Hotzenplotz
von Otfried Preußler
ab 5 Jahren

Premiere: 24. November 2022

 

Das achte Leben (Für Brilka)
von Nino Haratischwili
Bühnenfassung von Thomas Dannemann

Premiere: 1. Dezember 2022

 

Uraufführung
Nullerjahre
von Hendrik Bolz

Premiere: 27. Januar 2023

 

 

 

Das Studio ist zurück!

 

Nach einer viel zu langen pandemiebedingten Pause gibt es ihn ab der Spielzeit 2022/2023 wieder, den kleinen Raum für große Ideen! Nach dem Umzug aus dem E-Werk in die M*Halle wird dort auch ein neues Studio zu finden sein, ein Experimentierfeld mit Bar und Bühne, mit einmaligen Abenden, Wunschkonzerten, lang gehegten Lieblingsprojekten, Talkshows, live improvisierten Musik- und Tanz-Sessions und vielem mehr. Im Studio wird mit Herz, Hirn und kreativem Chaos das Nicht-Fertige und Abwegige zusammen mit dem Publikum erprobt. Was unter den Nägeln brennt, wird auf die Bühne gebracht. Egal, was im Studio zu später Stunde noch passiert, es ist jeden Monat neu, immer anders, immer in familiärer Atmosphäre und unbedingt einen Besuch wert.

Programm und Spieltermine entnehmen Sie bitte den jeweiligen Monatsspielplänen.

Leonce und Lena

Lustspiel von Georg Büchner

Premiere: 17. Februar 2023

 

Ein Mond für die Beladenen
von Eugene O’Neill
Deutsch von Leopardi & Eckstein

Premiere: 31. März 2023

 

Uraufführung
GOING HOME :: Wer ist Gerda?
Eine szenische Installation von RAUM+ZEIT
(Dässler/Kittstein/Mikeska)

Premiere: 1. April 2023

 

Schlossfestspiele Schwerin 2023
Deutschsprachige Erstaufführung
Little Miss Sunshine

Buch von James Lapine
Musik und Gesangstexte von William Finn
Deutsch von Robin Kulisch

Premiere: 1. Juli 2023

 

Uraufführung
Die Gespenster von Demmin
von Verena Keßler
ab 14 Jahren

Premiere: Januar 2023

mobil buchbar

 

Amazing Dolphins

The great reunion

Premiere: 2. Oktober 2022

 

Wiederaufnahmen

Der Zauberberg
nach Thomas Mann
Bühnenfassung von Sascha Hawemann

Wiederaufnahme: 17. September 2022

 

Uraufführung
Gundermann – Männer, Frauen und Maschinen
von Patrick Wengenroth, Nina Steinhilber und Ensemble

Wiederaufnahme: 22. Oktober 2022

 

Uraufführung
Finita la Commedia oder Die Errettung der Welt durch die Anhänger des Eskapismus
Eine theatrale Illusion nach Anton Tschechow
Unter Verwendung der Übersetzung von Peter Urban

Wiederaufnahme: 16. April 2023

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