Premierengeflüster #2

Regisseur Philip Lüsebrink verlegt die Verwechslungskomödie Charleys Tante auf eine Dachterrasse mit Hollywood-Schaukel mitten in die 1950er Jahre. Was die Zuschauer erwartet: Kein Klamauk, aber gute Unterhaltung mit viel Musik. Es darf mitgesungen werden! Mitsingen ist angesagt!

Du bist als Gast-Regisseur am Mecklenburgischen Staatstheater. Wo bist du mit deiner Arbeit zu Hause?
Eigentlich überall und nirgends. Ich lebe in Hamburg und bin für den niederdeutschen Bühnenbund Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein unterwegs. Gerade war ich in Cuxhaven und Flensburg – jetzt Schwerin. Seit knapp dreißig Jahren bin ich selbstständig unterwegs und arbeite freiberuflich als Regisseur, stehe aber auch noch als Sänger auf der Bühne, da ich ursprünglich aus dem Opernfach komme.

 

Philip Lüsebrink

Nun ist das Mecklenburgische Staatstheater nicht ganz neues Terrain für dich.
In Schwerin bin ich nun zum dritten Mal. Zuerst habe ich Tschechows Komödie De Bär für die Schweriner Schlossfestspiele 2023 inszeniert, dann kam das Klassenzimmerstück Käpt'n Knitterbort un sien Bande und jetzt Charleys Tante. Die Premiere wird im Großen Haus sein und dann in der M*Halle – das ist natürlich toll! Das ist ja einfach eine große Produktion mit dem kompletten Ensemble plus Gäste. Außerdem hatten wir die Möglichkeit, in unserer Fassung des Stücks, sehr viel Musik einzubauen. In meinen vorherigen Inszenierungen in Schwerin gab es zwar auch schon Lieder, aber nicht so viel Musik, wie es jetzt geben wird.

 

Die wohl bekanntesten Verfilmungen von Charleys Tante sind aus dem Jahr 1956 mit Heinz Rühmann und sieben Jahre später mit Peter Alexander in der Hauptrolle. Die Filme wiederum basieren auf dem gleichnamigen Schwank vom Engländer Brandon Thomas aus dem Jahr 1892. Jetzt sind wir im Jahr 2024. Wird Charleys Tante komplett neu erzählt?
Das Rad neu erfinden muss man glaube ich nicht. Wenn ein Stück von 1892 bis heute immer wieder erfolgreich gespielt wird, beweist das meiner Meinung nach, dass es gut geschrieben sein muss. Wir mussten lediglich eine Fassung finden, die zu uns passt. Im Original sind es zehn Charaktere, wir haben beim Verlag eine für sieben Darsteller:innen gefunden. Die haben wir dann natürlich noch leicht bearbeitet und sie auf Spielzeit und -ort angepasst.

 

Die zeitliche Spanne, um das Stück anzusiedeln, ist groß…
Uns war relativ schnell klar, in welche Zeit wir unsere Inszenierung legen wollen. Wenn man von 2024 aus schaut, fragt man sich natürlich: Was erzählt uns ein Theaterstück, dessen Dreh- und Angelpunkt die Anwesenheit einer Anstandsdame ist? Eigentlich nichts. Es sei denn, wir würden es in andere Kulturkreise setzen, in denen es sich nicht schickt, dass junge Mädchen mit jungen Männern zusammen sind. Belässt man es hingegen im Entstehungsjahr 1892, dann wird es schwierig, passende Musik zu finden. In den 20ern, 30ern gäbe es sehr gute Musik für die Bühne, aber da hat man nicht so auf Anstandsdamen im gesamten Gesellschaftsbild gesetzt. Daher entschieden wir uns für die 1950er-Jahre.

 

Das ist dicht an den bekannten Verfilmungen…
Ja, da sind wir natürlich nicht so weit weg von den Filmen mit Heinz Rühmann und Peter Alexander. Nur haben wir uns entschieden die „klassischen Rollenbilder“ dieser Zeit nicht zu sehr zu bedienen bzw. Redewendungen, die wir aus heutiger Sicht nicht mehr akzeptieren wollen, noch etwas zu entstauben.

 

Man kommt an der Gegenwart also nicht vorbei?
Man kommt an der Gegenwart schon insofern nicht vorbei, als dass man mit einem Augenzwinkern sagt: „Guck mal, so war das damals.“ Und bei dem einen oder anderen vielleicht denkt, „Das ist auch gut so, dass das so nicht mehr ist“. Und eventuell erwischt man sich auch bei einem nostalgischen: „Ach, aber eigentlich war das doch bestimmt auch eine schöne Zeit.“ Jetzt spielen wir in den 1950er Jahren auf einer Dachterrasse. Durch die Mode, durch die Musik hat man natürlich einen anderen Zeitgeist, sodass wir versuchen auch die richtige Sprache zu finden.

 

Das heißt?
In den 1950er-Jahren war die Sprache anders. Da guckt man bereits im Hochdeutschen: Was hat man denn in den 50ern gesagt? So natürlich auch in der plattdeutschen Übersetzung.

 

Ist etwas anders in der niederdeutschen Fassung?
Grundsätzlich ist Plattdeutsch eine eigenständige Sprache und das funktioniert gut. Manche sagen, die plattdeutsche Sprache sei ja so niedlich, weil sich manche Ausdrücke, die auf Hochdeutsch vielleicht ein bisschen derber klingen würden, auf Plattdeutsch etwas freundlicher anhören. Aber nicht nur das. Ach, es ist schon eine andere Welt.

 

Vielleicht gibt es Menschen, die glauben könnten, dass sie nichts verstehen. Was sagst du Menschen mit Niederdeutsch-Berührungsängsten?
…dass sie auf jeden Fall kommen sollen, weil sie erstaunt sein werden, wie viel sie verstehen! Die Geschichte ist nicht unbekannt, auch wenn man vielleicht die Filme oder das Stück noch nie gesehen hat. Man weiß, worum es bei Charleys Tante ungefähr geht. Insofern wird man der Geschichte auch immer folgen können. Außerdem macht die Musik gute Laune und Stimmung. Man darf sich einfach mal drauf einlassen.

 

Auch mitsingen?
Auf jeden Fall! Es hat sich durch Zufall ergeben, dass von den 22 Musiknummern in Charleys Tante die eine Hälfte Ost- und die andere Hälfte Westschlager sind. Daher wird es sicher Menschen im Publikum geben, die sich freuen, weil sie etwas wiedererkennen. Aber eigentlich, so war unser Gefühl, kann man Ost und West hier kaum unterscheiden. Man kennt es, oder man kennt es nicht. Ich glaube, dass wir mit diesem Stück einfach Erinnerungen wecken werden, wie: „Ach, so ein Kleid hatte ich auch mal. Und weißt du noch als wir zum Tanzen gegangen sind?“ Wir wollen einfach einen Theaterabend bieten, an dem sich das Publikum wohlfühlen, lachen und mitsingen kann.

 

Das Interview führte Claudia Kottisch.

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