Krise Liebe Hoffnung
Schauspieldirektorin Nina Steinhilber über die Spielzeit 2024/2025
Diese Gegenwart ist wahrlich nicht gemacht für einen optimistischen Blick in die Zukunft. Längst hat sich das leise Unbehagen angesichts aktueller Berichte zur (Welt-)Lage in ohrenbetäubenden Lärm verwandelt und mit einem Ende der Gewalt, mit Verständigung oder gar Versöhnung ist derzeit kaum zu rechnen. Es scheint, als würde das alte Prinzip von Schuld und Vergeltung wieder einmal triumphieren über all jene, die zusehen müssen, wie hart Errungenes an den neuen alten Verhältnissen zerbricht. Zugleich aber wächst in einer Welt, die mehr und mehr in feindliche Lager zerfällt, die Sehnsucht nach guten Nachrichten, nach dem Schönen, Heilenden und Hellen, nach Liebe, Wärme und Gemeinschaft – nach einem Gegenentwurf und mag er noch so utopisch sein.
„Zeit zu lieben“ heißt unser Spielzeitmotto 2024/2025. Es ist Aufruf und Hoffnung. Denn wenngleich wir spätestens mit dem Ende der Kindheit die Gewissheit verloren haben, dass am Ausgang einer jeden Geschichte das erlösende „Happy End“ wartet, so gilt es doch gerade jetzt, radikal zuversichtlich zu bleiben – und im Entwerfen positiver Visionen von Zukunft die Hoffnung auf ein glückliches Ende nie aufzugeben. Wenn wir im Theater immer wieder den Finger in die Wunde legen, uns und unser Publikum mit überraschenden, teils auch schmerzhaften oder unbequemen Gedanken und Fragen konfrontieren, wenn wir zeigen, wozu diese merkwürdige Spezies Mensch unter Umständen fähig ist, im „Bösen“ aber auch im „Guten“, dann versuchen wir genau das. Theater kann vielleicht nicht die Welt verändern – aber es kann die Verhältnisse als durch uns Menschen veränderbar betrachten und erlebbar machen. Es kann mit dem Unmöglichen jonglieren, neue Perspektiven eröffnen, unterhalten, berühren oder stören. Das jedenfalls ist und bleibt unser Traum: Durch die Stoffe, die wir ausgesucht haben und die Idee, mit der wir sie auf die Bühne bringen, den Blick auf Gegenwärtiges zu schärfen, Diskussion auszulösen und vor allem: Emotion. Etwas anzustoßen. Es sind Geschichten von Menschen für Menschen, die es uns im besten Fall ermöglichen einen Weg zu beschreiben – von der Krise über die Liebe zur Hoffnung. Und so steht am Ende der Spielzeit ein Anfang: Es ist die Geburt des Zauberers Merlin durch den Teufel persönlich, der möchte, dass sein Sohn die Menschen befreit – und zwar zum Bösen. Doch der berühmte Zauberer und Titelheld in Merlin oder Das wüste Land geht seinen eigenen Weg und stürzt sich voller Hoffnung in das pralle Abenteuer Mensch. Ein großes Theaterspektakel unter freiem Himmel, mit Rittern und Clowns, Musik, Spannung und Magie.
Was geschieht, wenn wirtschaftliche Interessen, Gewalt und Machtgier aufeinandertreffen und warum wider besseres Wissen weggesehen wird, davon erzählt Brechts Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui, mit dem wir im September in die Spielzeit starten. Ein brennend aktuelles Lehrstück über gesellschaftliche Verantwortung im Gewand einer Gangsterballade.
Sie sind die Kinder verfeindeter Familien und sie treffen inmitten einer von Hass bestimmten Umgebung eine geradezu politische Entscheidung: einander – und also den Feind – bedingungslos zu lieben. Für ihren Mut bezahlen Romeo und Julia mit dem Leben. Doch ihre Liebe, die nicht sein darf, wird unsterblich und wirkt fort.
In den Wochen vor Weihnachten nehmen wir uns Zeit für einen echten Glücklichmacher: Unser Familienstück, das Jahr für Jahr Tausende von Kindern und Erwachsenen im Theater zusammenbringt. Neues vom Räuber Hotzenplotz verspricht wieder spannende Abenteuer, denn der entflohene Räuber hat diesmal nicht ihre Kaffeemühle, sondern gleich die ganze Großmutter geklaut! Kriminell dürfte es auch bei den Proben für die Dreharbeiten zum ersten Tatort Schwerin werden. Mit liebevollen Verweisen auf vertraute Rituale sonntagabendlicher Ermittlungstradition werden in der M*Halle akribisch Spuren gesichert, Alibis überprüft und Verdächtige verhört.
Und Sunny kehrt zurück! Sie hält sich als Schlagersängerin über Wasser, kämpft sich durchs Leben, sucht Zugehörigkeit und Liebe – und zieht für ihr Comeback in der Neuinszenierung des Kult-Klassikers Solo Sunny mit ihrem Show-Programm, Tour-Conférencier Benno Bohne und den Tornados in M*Halle und Kulturmühle ein. In der Hitze des Sommers auf einem Landgut irgendwo in der Provinz, zieht mit Čechovs Platonov ein Dorfschullehrer alle weiblichen Sehnsüchte auf sich. Doch kann dieser lebensuntüchtige Don Juan die in ihn gesetzten Hoffnungen auf Liebe und ein glücklicheres Leben erfüllen? Auch im Hotel Savoy ringen die Menschen um eine Perspektive – und suchen Rettung in der Liebe. Ich werde dich lieben. Unter dieser Überschrift schließlich ergründet Milan Peschel in seinem neuen Projekt mit dem Ensemble, wie wir zuversichtlich bleiben, im Leben und in der Kunst.
Was ist der Stoff, aus dem die Stücke sind, die uns in unruhigen Zeiten daran erinnern, dass wir die Hoffnung niemals aufgeben dürfen; die uns zum Lachen bringen, zum Weinen auch, die aufrütteln, Trost spenden oder Halt geben? Welche Schlüsse können wir aus den dort verhandelten Krisen und Konflikten, den privaten wie den politischen, für die unseren ziehen? Und wenn nur die Liebe uns noch retten kann, als Menschen, als Gemeinschaft, was braucht die Zukunft dann von uns? Vielleicht ist es nur das: Die Fähigkeit zu lieben.
Es ist Zeit zu lieben.
Premieren 2024/2025
Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui
von Bertolt Brecht
Premiere 20. September 2024, M*Halle
Uraufführung
Ein Bild von mir
Klassenzimmerstück von Juliane Hendes
ab 11 Jahren
mobil buchbar ab Herbst 2024
Parlament der Dinge
Eine demokratische Übung
Premiere 26. September 2024, M*Halle
Romeo und Julia
von William Shakespeare
Premiere 27. September 2024, Großes Haus
Solo Sunny
von Wolfgang Kohlhaase
Premiere 9. November 2024, M*Halle
Familienstück
Neues vom Räuber Hotzenplotz
von Otfried Preußler
ab 5 Jahren
Premiere 22. November 2024, Großes Haus
Uraufführung
Tatort Schwerin
von Marthe Meinhold, Marius Schötz & Ensemble
Premiere 14. Februar 2025, M*Halle
Platonov (Die Vaterlosen)
von Anton Čechov
Premiere 21. Februar 2025, Großes Haus
Werther
oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel
von Antje Trautmann, Ensemble & Goethe
Premiere Frühjahr 2025
Hotel Savoy
von Joseph Roth
Premiere 11. April 2025, Großes Haus
Uraufführung
Ich werde dich lieben
von Milan Peschel & Ensemble
Premiere 12. April 2025, M*Halle
Schlossfestspiele Schwerin 2025
Merlin
oder Das wüste Land
von Tankred Dorst und Ursula Ehler
Premiere 27. Juni 2025, Alter Garten
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